Speyer. Festliche Musik und eine stimmungsvolle Atmosphäre prägten die Weihnachtsgottesdienste im Speyerer Dom, an denen zahlreiche Gläubige teilnahmen.
Was ist Freude? Diese Frage stellte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in den Mittelpunkt seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag. Freude könne man allen kommerziellen oder politischen Interessen zum Trotz nicht kaufen, nicht machen, nicht einfach herstellen oder inszenieren und schon gar nicht befehlen. „Solch angeordneten Jubel kennen wir aus allen Diktaturen, Fähnchen schwenkend und eingedrillte Parolen deklamierend. Das sind pure Perversionen von Freude. Sie ersticken echte Freude im Keim“, so Wiesemann.
Tiefgehende Freude habe einen Grund in der Wirklichkeit selbst. Die Gleichnisse Jesu seien voll von solchen Augenblicken der Freude. „Freudige Hoffnung lässt in uns etwas aufspringen.“ Das werde immer zu Weihnachten anschaulich, wenn die Kinder in der Vorfreude auf das Christkind nicht mehr still sitzen können. Um diese „in der Freude schwerelose Kraft der Gnade“ gehe es, wenn Jesus sagt, dass der Kleinste im Himmelreich größer ist als alle anderen. „Der Kleinste im Himmelreich, der mit spielerischer Leichtigkeit aufgefangen vor unbändiger Lebensfreude springt und hüpft, der Kleinste, der mit seiner unbeschwerten Freude die Abgründigkeit des Lebens besiegt, dieser Kleinste im Himmelreich der Gnade ist größer als alle anderen.“
Am Weihnachtsfest leuchte der „Grund unserer Lebensfreude“ auf, so der Bischof. Gott werde Mensch und „fängt uns auf diese Weise ein für alle Mal mit seinen Armen auf“. Damit werde Weihnachten zu einer eindringlichen politischen wie gesellschaftlichen Botschaft: „Wer Hand anlegt an die Unverfügbarkeit des Lebens mit seinem Recht auf Unversehrtheit, so wie es uns im kleinen ohnmächtigen Kind schon im Mutterleib entgegentritt, der legt Hand an den Grund der Lebensfreude der Menschen“, betonte Wiesemann. „Er legt die Axt an die Wurzel der Hoffnung, die uns trägt und uns gleiche Würde gibt, dass wir nämlich von Anfang an aufgefangen und gehalten sind von einer bedingungslosen Bejahung, von einem nicht mehr hinterfragbaren Recht zum Leben.“ Wenn der Lebensschutz etwa des ungeborenen Lebens, wie er im deutschen Embryonenschutzgesetz noch weitgehend garantiert ist, zugunsten einer menschlichen Freiheit zur Selektion des Lebens aufgeweicht werde, betreffe das nicht nur wenige, die sich „zutiefst verständlich“ ein gesundes Kind wünschen, sondern letztlich die Grundfesten des demokratischen Zusammenlebens. „Es betrifft noch tiefer das Grundvertrauen in das Leben und dessen unbedingte Würde, das den wahren Grund unserer Lebensfreude bildet“, so der Bischof.
Weihbischof Georgens: „Weihnachten hat mit unserem Leben zu tun“
„Weihnachten hat mit unserem Leben zu tun, mit meinem Leben. Wenn Weihnachten nichts mit meinem, mit unserem Leben zu tun hat, können wir es uns schenken“, betonte Weihbischof Otto Georgens in seiner Predigt bei der Christmette im Dom zu Speyer. Gott offenbare sich der Welt als schutzbedürftiger Säugling. Weil er sich der Verwundbarkeit des menschlichen Lebens stelle, könne er es heilen. Weihnachten heiße auch, dass Gott den Menschen seine Zeit, seine Liebe schenke.
Die Menschwerdung Gottes bedeute „Gott ließ und lässt sich ein“ sowie die Zusage, für die Menschen da zu sein. „An Weihnachten hat die Zusage unseres Gottes ‚Ich bin da‘ Hand und Fuß bekommen. Sie gilt jeder und jedem von uns. Gott wird Mensch, er hat unser Mensch-Sein angenommen. Weihnachten hat mit unserem Leben zu tun. Darum lasst und Weihnachten feiern“, so der Weihbischof.
An der musikalischen Gestaltung der festlichen Weihnachtsgottesdienste wirkten das Vokalensemble der Dommusik, der Mädchenchor, die Domsingknaben, der Domchor und die Dombläsern unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori und Domkantor Joachim Weller mit. Die Orgel spielte Domorganist Markus Eichenlaub.
Gedenken an den Heiligen Stephanus
In seiner Predigt am zweiten Weihnachtsfeiertag, dem Gedenktag an den ersten christlichen Märtyrer Stephanus, verwies Weihbischof Otto Georgens darauf, dass im Laufe der Geschichte im Namen Gottes großes Unheil über die Menschheit gebracht worden sei. Auch Christen und Kirchenführer hätten den Namen Gottes oft missbraucht und Menschen Gewalt angetan. Selbst Gottes Sohn, Jesus, sei in dessen Namen hingerichtet worden. Ein Schicksal, dass immer wieder Menschen erlitten, die „um ihres Glaubens willen“ getötet würden und als Märtyrer bezeichnet würden. Aber: „Der Begriff Märtyrer ist Missverständnissen ausgesetzt. Islamistische Selbstmord-Attentäter werden Märtyrer genannt. Im Christentum ist ein Märtyrer etwas ganz anderes. Ein Märtyrer ist jemand, der ganz auf Gewalt verzichtet und deshalb Opfer von Gewalt wird“, erläuterte der Weihbischof und verwies auf Stephanus, der so gezeigt habe, wie der tödliche Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen werden könne.
Um Frieden zu stiften sei es notwendig Toleranz einzuüben. Eine Toleranz, die den anderen ernst nehme, die sich mit ihm auseinandersetze und in seiner Fremdheit aushalte. Der Stephanustag lade dazu ein, die Friedensbotschaft von Weihnachten in den Alltag zu übersetzen. „Frieden auf Erden gibt es nur dann, wenn Gott die Ehre erwiesen wird. Gott aber ehren wir, wenn wir den Menschen – sein Ebenbild – achten. Wenn wir jeden Menschen respektieren, egal welche Hautfarbe er hat und welcher Kultur und Religion er angehört“, betonte Georgens. Jesus und sein Jünger Stephanus hätten einen hohen Preis für diese Achtung gezahlt und seien zu Märtyrern und damit Zeugen einer neuen Welt geworden, in der Achtung und Friede herrsche.
Der Weihbischof appellierte an die Gläubigen, im Alltag die Mechanismen von Gewalt und Gegengewalt aufzuspüren, Toleranz zu üben und gegen Vorurteile Stellung zu beziehen. Als ersten Schritt dazu empfahl er "für die Menschen zu beten, die uns und anderen Unrecht tun“ – wie Stephanus für seine Verfolger. „Ein solches Beten wird unseren Blick weiten und dem Frieden Gottes eine Chance geben.“
Text: is/Fotos: Klaus Landry
Predigt von Bischof Wiesemann im Wortlaut
Predigt von Weihbischof Georgens in der Christmette im Wortlaut
Predigt von Weihbischof zum 2. Weihnachtsfeiertag im Wortlaut