Speyer. Zahlreiche Gläubige verfolgten heute die Eucharistiefeier und die Prozession zu Fronleichnam in Speyer. Die Monstranz, getragen von Weihbischof Otto Georgens unter dem von vier Diakonen getragenen Himmel, symbolisierte die Kraft Gottes als Heilsbringer und Erlöser. „Fronleichnam wird zu einer Demonstration für unsere Entschlossenheit, in allem als erstes das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen“, sagte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in seiner Ansprache.
Die Bankreihen reichten bei weitem nicht für alle Gläubigen aus in der katholischen Pfarrkirche St. Joseph, in der der Auftakt des Fronleichnamsfestes gefeiert wurde. „Wo bist du Gott?“ lautete die Frage, die als Leitwort über der gesamten Feier stand. In der Aussetzung der Eucharistie sah Bischof Wiesemann die erste Antwort: „Wir nehmen ihn mit und zeigen ihn allen als das Heil der Welt und als den, der Erlösung bringt.“
Die Dombläser begleiteten die Prozession von der Josephskirche durch die Maximilianstraße bis zum Dom. Eingereiht hatten sich auch die Kommunionkinder der Pfarrei Pax Christi, deren Mitglieder die Organisation des kirchlichen Festtags übernommen hatten. Fahnenträger, Ministranten, Vertreter des Domkapitels sowie Seelsorger aus Speyerer Pfarreien schlossen sich ebenfalls an.
Inne hielten die Gläubigen an drei Abschnitten auf dem Weg zur Kathedrale, um sich tiefer mit der Frage nach der Existenz Gottes zu beschäftigen. Auszüge aus dem Johannes-Evangelium, einem Brief des Propheten Jeremia und dem Matthäus-Evangelium begleiteten sie auf dem Weg. Die Texte hatte der Liturgieausschuss der Dompfarrei Pax Christi zusammengestellt.
Zahlreiche Gläubige erwarteten die Prozession bereits vor dem Hauptportal des Domes, vor dessen Stufen ein prachtvoller Blumenteppich gestaltet worden war. Kommunionkinder und Gemeindemitglieder erinnerten mit Meditationstexten und Fürbitten an die Größe und Güte Gottes und das Brot des Lebens, das er den Menschen spendet.
Daran knüpfte Bischof Wiesemann in seiner Predigt an. „Wir zeigen heute bei der Prozession, dass Gott mitten unter uns ist, nicht unter dem Sternenzelt, sondern mitten im wandelnden Gottesvolk“, hob er hervor. Das Vaterunser stellte er in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, nicht ohne darauf zu verweisen, dass dessen herausfordernder Charakter kaum noch wahrgenommen werde. Wiesemann erinnerte an die kürzlich durch Papst Franziskus angestoßene Debatte über die sechste Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“. Diese scheine die sperrigste zu sein, doch bringe die vierte Bitte – „unser tägliches Brot gib uns heute“ – alle Übersetzer des griechischen Urtextes in große Verlegenheit. Denn Jesus selbst sei es gewesen, so der Bischof, der seinen Jüngern eingeschärft habe, sich nicht um Essen oder Kleidung zu kümmern. „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazu gegeben werden“, zitierte Wiesemann aus Matthäus 6,32f.
Er verwies auf die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten und dessen Weg durch die Wüste und verdeutlichte: „An dieser Stelle steht Gott selbst auf dem Spiel, und dass er die Kraft hat, Nahrung für die Menschen zu sein, dass die Hoffnung eine unendlich größere Nahrungsquelle für die Welt ist als der Konsum.“ Jesus selbst habe am Vorabend von Gründonnerstag der schlimmsten Versuchung widerstanden und die Menschen nicht sich selbst und ihrem Schicksal überlassen.
Bischof Wiesemann bezeichnete die Eucharistie als „das Geheimnis der Verwandlung dieser Versuchung gegen die eigene Würde, Berufung und Sendung in freiwillige Hingabe“. Das Brot vom Himmel, das Manna, sei die tägliche Nahrung, die helfe, der Gleichgültigkeit, Unfreiheit, Würdelosigkeit und Versuchung zu widerstehen. So werde im Vaterunser alles zusammengefügt.
Wiesemann wies darauf hin, dass die aktuelle Zeit vieles von der Wüstenwanderung des Volkes Israel habe. Der Gottesglaube werde immer stärker herausgefordert. „In der geistlichen Wüste unserer Zeit rufen wir: Gott, wo bist du?“ Israel sei seinem Gott nie so nah gewesen wie in der Wüste, gleichzeitig sei aber die Wüste der Ort der größten Versuchung, die das Volk Gottes zu durchstehen habe. Man könne beides nicht voneinander trennen. Aber: „Gott ist nicht der hinterlistige Versucher, er lockt uns als pilgerndes Volk in die Wüste, um wieder ganz nahe bei uns zu sein und uns die wunderbare Würde unserer Berufung und Sendung als Christen in dieser Welt für das Reich Gottes und die größere Gerechtigkeit ins Herz zu schreiben“, so der Bischof.
Musikalisch gestaltet wurden der Gottesdienst in St. Joseph und der Abschluss im Dom vom Kirchenchor St. Joseph, vom Motettenchor Speyer und von Christoph Keggenhoff an der Orgel und den Dombläsern. Die Gesamtleitung hatte Marie Theres Brand. Am Mittag trafen sich die Gläubigen zur Reunion in St. Joseph.
Text und Foto: Susanne Kühner