Speyer. Das Speyerer Domkapitel plant für 2020 die Aufstellung eines Blindentastmodells des Doms. Das dreidimensionale Modell aus Bronze ermöglicht es Menschen mit Seheinschränkungen den Dom haptisch zu erkunden. Eine Beschriftung in der Blindenschrift Braille gibt zusätzlich Auskunft. Die Pläne für die Umsetzung und Aufstellung des Tastmodells wurden im Rahmen eines Mediengesprächs bekannt gegeben. Finanziert wird das Inklusionsprojekt vom Dombauverein Speyer, der dem Dom das Modell 2020 zu seinem 25-jährigen Vereinsjubiläum widmen wird. Unterstützt wird der Verein insbesondere mit Spenden durch den Lions Club Speyer und Zuwendungen der Unternehmer Susanne Klatten und Stefan Quandt.
Dombaumeisterin Hedwig Drabik, die mit der Realisierung des Projekts betraut ist, erläuterte zunächst das Herstellungsverfahren des Tastmodells. Beauftragt wurde der Künstler Egbert Broerken, der zusammen mit seinem Sohn Felix seit geraumer Zeit Blindentastmodelle von Gebäuden und Stadtlandschaften herstellt. So stammen die Modelle der Dome in Mainz und Worms von Broerken. Als Grundlage für das Modell dienen Bauzeichnungen, fotogrammetrische Aufnahmen und Fotografien. Erstellt wird zunächst ein Modell aus Styrodur. In mehreren Zwischenschritten entsteht dann ein Bronzeguss, der mit einem Wachsüberzug gegen Umwelteinflüsse geschützt wird. Das fertige Modell soll dann im Frühjahr 2020 auf der Südseite des Doms nahe der Dom-Info auf einem Steinsockel aufgestellt werden. Eine Inschrift für Sehende und eine gleichlautende in der Blindenschrift Braille wird den Besuchern mit ein paar grundlegenden Informationen zum Speyerer Dom weitergegeben. Auf dieser Inschrift wird auch den Unterstützern gedankt, welche die Realisierung des Modells erst möglich gemacht haben, so Drabik. 40.000 Euro werden die Erstellung, die Fertigung und die Aufstellung des Modells insgesamt kosten.
Der Vorstandsvorsitzende des Dombauvereins Dr. Gottfried Jung berichtete über das Engagement des Dombauvereins für das Projekt Blindentastmodell. „Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Dombauvereins wollten wir dem Dom etwas Besonderes schenken, etwas, das ihm noch fehlt“, sagte Jung. „Im Gegensatz zu vielen anderen Kathedralen hat der Dom noch kein Blindentastmodell und so freuen wir uns, dass wir hier helfen können, eine Lücke zu schließen“. Unterstützt wird der Dombauverein durch Susanne Klatten und Stefan Quandt, die aus ihrem Privatvermögen einen Betrag von jeweils 10.000 Euro zur Verfügung stellen. Eine Spende von 20.000 Euro hat der Lions Club Speyer in Aussicht gestellt, der sich über den Dombauverein und über die Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer für den Dom engagiert. „Unter dem Motto ‚Die Welt vor Ort ein Stück besser machen‘ unterstützt der Lions Club Projekte in Speyer“, erklärte der Präsident des Service-Clubs Knut Mertens. „In diesem Fall unterstützen wir den Dom in Form eines Benefiz-Konzertes mit Domorganist Markus Eichenlaub am Samstag, 15. Juni, 19.30 Uhr im Dom. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Karten für 15 Euro, ermäßigt 10 Euro, kommen dabei direkt der Finanzierung des Blindentastmodells zu Gute. „Mit einem Benefizkonzert im Dom werden wir die Realisierung des Blindentastmodells unterstützen und die zu erwartenden Einnahmen auf 20.000 Euro aufrunden“, sagte Mertens. Karten sind bei der Dom-Info, der Tourist-Information der Stadt Speyer, bundesweit bei allen Reservix-Vorverkaufsstellen, sowie beim Rheinpfalz Ticket Service, Telefon 0631 3701-6618 erhältlich.
Domorganist Markus Eichenlaub, selbst Mitglied im Lions Club Speyer, hat sich im Vorfeld des Konzerts besondere Gedanken um das Programm des Abends gemacht. Unter dem Titel „Tasten für Tasten“ spielt er nicht nur bekannte Stücke der Orgelliteratur wie die Toccata und Fuge in d-moll von Johann Sebastian Bach und den „Bolero“ von Maurice Ravel, sondern auch Werke von Organisten, die selbst sehbehindert waren. In Bezug zum Benefizgedanken hat Domorganist Markus Eichenlaub mit Vierne, Langlais und Litaize drei Komponisten auf das Programm gesetzt, die von Geburt an blind waren oder es in jungen Jahren wurden, und allesamt an der weltweit ersten Blindenschule mit angeschlossenem Musikkonservatorium in Paris ausgebildet wurden. Heute zählen sie zu den wichtigsten französischen Orgelkomponisten ihrer Zeit. Eichenlaub selbst will eine Improvisation mit verbundenen Augen spielen, um sich in die Welt dieser Organisten und aller Blinden etwas einfühlen zu können.
Dr. Günter Kirchberg, Vorsitzender der Lions-Hilfe Speyer e.V. berichtete, dass der Lions Club von dem Vorschlag des Dombauvereins, die Spende der Umsetzung eines Tastmodells zu widmen, sofort gefolgt sei: „Das ist eine sinnvolle Sache, etwas, das vor Ort noch fehlt, ein anschauliches, dreidimensionales Modell des Doms.“ Dr. Barbara Schmidt-Nechl, die stellvertretende Vorsitzende des Dombauvereins, welche die Idee zu dem Projekt in Verbindung mit dem Vereinsjubiläum hatte, wies ergänzend darauf hin, dass das Modell an sich ein Kunstwerk sei und auch für alle sehenden Besucher einen Mehrwert biete.
Barrierefreiheit am Dom
Als der Dom vor beinahe 1000 Jahren gebaut wurde, waren Inklusion und Barrierefreiheit noch kein Thema. In neuerer Zeit beschäftigt sich das Domkapitel fortwährend mit der Frage, wie der Dom für Menschen mit Einschränkungen besser erschlossen werden kann. So wurde 2012 mit Unterstützung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer, Dr. Manfred Fuchs, ein barrierefreies Portal auf der Dom-Nordseite eingerichtet. 2018 konnte dann, ebenfalls mit Unterstützung der Europäischen Stiftung, eine Treppenraupe angeschafft werden, mit der Rollstuhlfahrer in die Krypta und das Querhaus gelangen können.
Barrierefreiheit ist für die Kirche ein wichtiges Anliegen. Bedingt durch den demographischen Wandel und die steigende Lebenserwartung sind immer mehr Menschen körperlich so eingeschränkt, dass sie spezielle Unterstützung bei der Erkundung des Doms benötigen. Angebote, die Teilhabe und Inklusion ermöglichen, dienen aber allen Besucherinnen und Besuchern des Doms. Das Blindentastmodell dient zum einen Menschen mit Seheinschränkungen zum anderen ist es aber auch für sehende Besucher attraktiv.
Das Domkapitel Speyer engagiert sich zusammen mit Partnern innerhalb der Kirchen, der Politik und mit Unterstützung des Dombauvereins und der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer für die Inklusion am Dom. Zugänglichkeit, Service, Kommunikation und Sensorik werden im Hinblick auf mögliche Erschließungsangebote ständig evaluiert und nach Möglichkeiten der Verbesserung gesucht.
Text: Friederike Walter/Foto: Klaus Landry