Speyer. Am 9. Juni ist der bekannte Architekt und Bildhauer Gottfried Böhm verstorben. Er galt als bedeutender Architekt der Moderne und als „Ausnahmeerscheinung der deutschen Nachkriegsarchitektur“. Zu seinen Werken zählt auch der Prospekt der großen Domorgel auf der Westempore im Speyerer Dom.
Die große Orgel wurde 2011 fertiggestellt, erbaut von der Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert & Sohn aus Kevelaer (Niederrhein). Böhm gestaltete für die Schauseite eine in vier Tiefenebenen gestaffelte, asymmetrisch nach rechts abfallende Pfeifenlandschaft. „Er hat uns damit ein eindrucksvolles Denkmal seiner Kunst hinterlassen“, würdigt Christoph Keggenhoff, Leiter des Referats Orgelbau des Bischöflichen Ordinariats, das Werk.
„Gottfried Böhm, damals auch schon über 90 Jahre alt, ließ es sich nicht nehmen, das Entstehen der neuen Orgel zu begleiten und viele Detailfragen, zum Beispiel auch im Bauaufzug in gut 20 Metern Höhe direkt vor der Orgelfassade stehend, zu klären“, erinnert er sich an die Umsetzung der Pläne. Das dominierende Gestaltungselement der „Klangskulptur“ sei die Zinnpfeife. „Entstanden ist ein Kraft und Eleganz vereinendes singuläres Gesamtkunstwerk des 21. Jahrhunderts, welches als eigenständiges Element im Raum in einem spannenden Bezug zur Architektonik steht“, so Keggenhoff. Die Entwürfe von Gottfried Böhm seien anfangs im Kreis von Orgelfreunden sehr kontrovers diskutiert worden. „Um die Kritiker von damals ist es heute sehr still geworden und die Domorgel ist ein beliebtes Fotomotiv vieler Dombesucher aus nah und fern“, stellt Keggenhoff im Rückblick fest.
Die große Domorgel hat 5.496 Pfeifen, die sich auf 83 Register auf vier Manualen und Pedal verteilen, und vereint in sich viele über Jahrhunderte erworbene Errungenschaften des Orgelbaus, technisch wie klanglich. Ermöglicht wurde das Projekt durch eine großzügige Spende der Unternehmerfamilie Quandt.
Gottfried Böhm, der in Offenbach geboren wurde und in Köln aufwuchs, war der Sohn des Kirchenbauers Dominikus Böhm (1880-1955). Als sein Hauptwerk gilt die zerklüftete Beton-Wallfahrtskirche in Neviges, die noch lange nach ihrer Eröffnung 1968 polarisierte. Sie erhielt bald den Beinamen „Gottesgebirge“. Böhm schuf mehr als 50 Sakralbauten. Böhm hat fast nur in Deutschland gebaut, aber er wurde international wahrgenommen. 1986 erhielt er als erster Deutscher den Pritzkerpreis, die weltweit wichtigste Architekturauszeichnung.