Samstag, 30. März 2024

„Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens“

Bischof Wiesemann in seiner Osterpredigt: "Ostern macht uns wieder zum staunenden Menschen, der Ehrfurcht hat vor dem Geheimnis des Lebens.“ © Klaus Landry

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann ruft in seiner Osterbotschaft zur „Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens“ auf – Die Auferstehung Christi ist die Chance zur Erneuerung des Lebens und lädt zu einem Perspektivwechsel auf das Leben ein

Speyer. Mit den Ostergottesdiensten feierten die Gläubigen im Bistum Speyer die Auferstehung Jesu Christi und damit das höchste Fest im Kirchenjahr. Die Osternacht wurde feierlich mit dem Ruf „Lumen Christi – Deo gratias“ (Christus, das Licht – Dank sei Gott) eröffnet: In der Vorhalle des Doms, der zu Beginn der Feier in völliger Dunkelheit lag, wurde das Osterfeuer entzündet, bevor mit der Osterkerze das Licht in die Kathedrale hineingetragen wurde. „Ergreifend ist es in jedem Jahr, wenn wir mit der Osterkerze hier in diesen heiligen Raum hinein ziehen. Diese Kerze, dieses Licht, wird in einen Raum getragen, der für 1000 Jahre Menschheitsgeschichte steht“, so Bischof Wiesemann in seiner Predigt in der Osternacht.

Das Licht der Hoffnung

„Was hat diese Kathedrale in diesem Jahrtausend nicht alles erlebt?“ Der Speyerer Dom zeige, so Wiesemann, das gewaltige Auf und Ab der Menschheitsgeschichte. Und dennoch sei die Kathedrale immer wieder aufgebaut worden – durch den Fleiß der Menschen und auch durch den Glauben, den das Osterlicht in die Welt gebracht hat. „Das ergreift mich in diesem Jahr in besonderer Weise, da wir so ein Licht der Hoffnung, des Trostes und der Zuversicht in unserer Welt brauchen, die so vielfältig heimgesucht wird von Krisen, Kriegen und Katastrophen. Ein Licht, das die Kraft hat, uns Zukunft zu erschließen, Mut zu machen und Leben gegen die Macht des Todes zu setzen“, predigte Bischof Wiesemann in der Osternacht.

Der Glauben schenke den Christinnen und Christen die Kraft einer tieferen Liebe und eines tieferen Vertrauens. Diese Kraft helfe, so Wiesemann, sich aufzumachen, um anderen zu helfen: „Menschlichkeit und Humanität erweisen, ein Licht in diese Welt tragen, nicht verzweifeln, nicht einfach aufgeben, nicht in die Gleichgültigkeit der Welt hineingehen, nicht in den Hass, nicht in das Dunkle, sondern immer wieder neu, wo wir auch sind, anfangen, dieses Osterlicht anzuzünden. Das ist unsere Berufung und Sendung als Gläubige, als Kirche. Nehmen wir dieses Licht für uns an und tragen es aus diesem wunderbaren Dom, der uns ein Zeichen dafür ist, wie siegreich die Kraft dieses Glaubens ist, durch alle Jahrhunderte hindurch. Nehmen wir heute unsere Verantwortung als Christen in dieser Welt wahr.“

 

Ostern lädt zu einem Perspektivwechsel auf das Leben ein

Am Ostersonntag begrüßte Bischof Wiesemann die Menschen in der voll besetzen Kathedrale. Ostern mache den „Blick Gottes auf seine Schöpfung und den Menschen mitten darin frei“ und ermögliche einen Perspektivwechsel. Wiesemann sagte in seiner Predigt: „Wie die Astronauten aus der lebensfeindlichen Leere des Weltalls das Wunder des Lebens auf der Erde wiederentdeckten, so kann uns der Auferstandene, der für uns durch den Tod gegangen ist, aus der Unendlichkeit Gottes heraus zu einem neuen Verhältnis zu unserer eigenen Lebenswelt verhelfen, zur Umkehr, zur Bewahrung der Schöpfung, zur Versöhnung und zum Frieden, zur Anerkennung der Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen auf dieser Erde.“

Durch das „Aushalten der Leere und Stille die Einmaligkeit des uns geschenkten Lebens erkennen“

Zu Beginn seiner Predigt machte er drauf aufmerksam, „dass man den Wert und die Kostbarkeit von allem Wichtigen im Leben häufig erst dann umfassend erspürt und erkennt, wenn es nicht mehr da ist.“ Er führte weiter aus: „Die Leere aber, die der Tod hinterlässt, bleibt – sie bleibt häufig ganz allein bei den einsam auf sich zurückgeworfenen Trauernden. Sie bleibt als verdrängte Wirklichkeit oder als innere Sinnleere. Oder auch in der Form, absoluter Vergötterung des Hier und jetzt, der eigenen Gesundheit und Agilität.“ Wiesemann erwähnte, dass „in der auf Effizienz gedrillten Betriebsamkeit unserer Welt“ das „gemeinsame Innehalten, die heilsame Unterbrechung unserer Geschäftigkeit angesichts des Todes“ untergehe. Doch erst durch das „Aushalten der Leere und Stille“ könne man „die Einmaligkeit des uns geschenkten Lebens, die Kostbarkeit jedes guten Augenblicks, die Dankbarkeit als Grundhaltung des Lebens, die Verbundenheit in der Liebe“ erkennen.

Wiesemann: „Gesellschaftliche Anerkennung der gleichen Würde und Rechte aller mit uns lebenden Menschen“

Bischof Wiesemann sieht in einer Welt „die sich selbst zum Alles erklärt“ eine Welt, die „die Fähigkeit zum Abstand zu sich selbst“ verliert. Diese Haltung sei für den Menschen „tödlich“, denn, so der Speyerer Bischof, „die Unantastbarkeit der eigenen wie der fremden Würde und die verletzliche Kostbarkeit und Schönheit des Lebens, das Geschenk und das darin gegebene Recht des Daseins erkennt er nur, wenn er dessen Unverfügbarkeit anerkennt.“ Er appellierte: „Deshalb ist der auch rechtlich zu garantierende Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende wie auch die gesellschaftliche Anerkennung der gleichen Würde und Rechte aller mit uns lebenden Menschen, ob einheimisch oder fremd, für das friedliche Zusammenleben und die moralische Kultur der ganzen Gesellschaft so entscheidend.“

Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens

Bischof Wiesemann bekräftigte am Ende: „Der Auferstandene befähigt uns dazu, die Liebe zum Endlichen, zum so unersetzlich Kostbaren des Lebens, zur Schönheit unserer Erde, zur wunderbaren Zerbrechlichkeit des Lebens wieder zu entdecken.“ Denn „die Auferstehung Christi gibt uns nicht nur eine Perspektive über dieses Leben hinaus, so Wiesemann, „sie öffnet uns auch die Chance zur Erneuerung des Lebens hier und jetzt. Sie macht uns wieder zum staunenden Menschen, der Ehrfurcht hat vor dem Geheimnis des Lebens.“

Die voll besetzten Ostergottesdienste im Dom wurden musikalisch von Domorganist Markus Eichenlaub sowie verschiedenen Chorformationen der Dommusik gestaltet. In der Osternacht sang der KathedralJugendChor und der Domchor. Den Gottesdienst an Ostersonntag gestalteten die Nachwuchs- und Aufbauchöre des Mädchenchores und der Domsingknaben. Für festliche Klänge sorgten zudem die Dombläser.

 

Die Predigt von Bischof Wiesemann in der Osternacht gibt es hier zum Nachhören.

Die Predigt von Bischof Wiesemann am Ostersonntag gibt es hier zum Nachlesen und hier zum Nachhören.

 

Ergänzung zum Ostermontag:

Die Kraft der Kommunikation - Predigt zum Ostermontag von Weihbischof Otto Georgens

Speyer. „Singen macht glücklich“ – so eröffnete Weihbischof Otto Georgens am Ostermontag seine Predigt im Speyerer Dom. Unzählige Berichte, Reportagen und Experimente würden diese These untermahlen. Ob sich dies auch in der biblischen Geschichte wiederfinden lasse? „Ich glaube, es wird nirgends überliefert, ob die Jünger Jesu und ob Jesus selbst irgendwann mal gesungen hat. Die Emmausjünger tun aber schon mal eines: Sie reden miteinander. Das ist besser, als seinen Kummer in sich hineinzufressen oder ihn zu verdrängen“, so Georgens.

Sie seien außerdem offen gewesen für Fragen eines Fremden, und auch dafür, von ihm hinterfragt zu werden. „Manchmal klärt sich schon etwas, wenn man einem Anderen Rede und Antwort stehen muss, weil das verlangt, die eigenen Gedanken zu sortieren und verständlich zu machen.“ Und schließlich sind sie „aber auch offen für die Deutung, die der Fremde liefert. Sie wissen nicht alles besser, sondern hören zu“.

Weihbischof Georgens: „Das alles ist wie eine religionspädagogische Geschichte für unser Leben als Gemeinde, als Kirche heute. Wenn wir im Glauben stark werden wollen, wenn wir mit unseren Fragen und Zweifeln konstruktiv umgehen wollen, dann brauchen wir Erzählgemeinschaften.“ Über die Gottesdienste hinaus brauche es die Möglichkeit, sich auszutauschen, darüber zu sprechen, was bedrückt und beschäftigt – nicht nur mit denen, deren Antworten „wir eh schon kennen. Es ist eine Bereicherung für uns, wenn wir mit Leuten ins Gespräch kommen, die uns kritische Fragen stellen, vielleicht uns sogar provozieren mit einer Gegenposition, die wir nicht teilen können. Nur so kann eng gewordenes Denken aufgebrochen und geweitet werden, weil neue Gedanken weiterhelfen, weil wir manchmal betriebsblind sind und die andere Sicht brauchen, um aus Sackgassen herauszufinden. Und vielleicht das Wichtigste: Es reicht auch nicht, dass wir nur verkopft miteinander reden. Das Herz muss brennen.“

Wenn das Herz brenne, „dann fangen wir wahrscheinlich automatisch zu singen an“, resümiert Georgens. „Und auch, wenn nirgends davon berichtet wird, ich kann es mir nicht anders vorstellen, dass auch Jesus mit seinen Jüngern gesungen hat: ‚Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt‘ (Kol 3,16).“

 

Die Predigt von Weihbischof Otto Georgens gibt es hier zum Nachlesen.